Richard Hartmann

Richard Hartmann

Vom Zeugschmied zum sächsischen Lokomotivkönig

 

Richard Hartmann wurde am 8. November 1809 in Barr im Elsass als Sohn eines Weißgerbers als drittes von fünf Kindern geboren.
Nach dem Schulbesuch in Barr und Luneville erlernte er das Handwerk eines Zeugschmieds und begab sich, dem damaligen Brauch folgend, am 19. Juli 1830 auf Wanderschaft.

Über Straßburg und Weißenburg im Elsass geht es nach Karlsruhe, Heidelberg und Mannheim. Während seiner sich anschließenden Wanderung durch Thüringen trifft er 1832 in Jena seinen Landsmann Georg Samuel Apffel, der sich in Chemnitz niederlassen wollte. Offensichtlich hat Apffels Beschreibung der sächsischen Stadt Hartmann neugierig gemacht, denn im März 1832 trifft er über Greiz und Zwickau kommend in Chemnitz ein.
Seine erste Bleibe findet er, mit zwei Talern in der Tasche, im Gasthof „Zum Schwartzen Bär“ in der Klostergasse und seine erste Handwerkstätigkeit im damals größten Unternehmen für Maschinenbau von Carl Gottlieb Haubold, der zu dieser Zeit bereits 200 Arbeiter beschäftigte. In kurzer Zeit hat sich Hartmann hier zum Akkordmeister heraufgearbeitet.

1837 gründete Hartmann mit Franz Carl Jlling, den er bereits bei Haubold kennenlernte, eine eigene Werkstatt in der Annaberger Straße 539a und begann dort, mit drei Gehilfen, mit der Reparatur von Spinnmaschinen. Schon bald stellten sie auch eigene Spinnmaschinen her.
Den Durchbruch erreichte er mit der Erfindung eines mittellosen Technikers, der „Continue“, ein Vorspinnkrempel, für die er später das Patent anmeldete und die „GoldenePreismedallie“ der sächsischen Regierung erhielt.

Im Kreis seiner Zunftgenossen ist Hartmann als fröhlich, gesellig, trinkfest und stets zu tollen Streichen aufgelegt bekannt. So bleibt es nicht aus, daß sein Name auch in den Kreisen der Chemnitzer Damenwelt einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt. Bei der Tochter des Schankwirtes Wilhelm Oppelt läuft er schließlich offene Türen ein.
Die Hochzeit mit Bertha Auguste Oppelt findet am 11. Oktober gleichen Jahres statt.
Aus der Ehe werden später 2 Söhne und 2 Töchter geboren.

1840 trennte sich Hartmann von Illing und ging eine Partnerschaft mit dem Kaufmann August Götze ein. Da das Wohnhaus und die Werkstatt nicht mehr den Erfordernissen genügte wurde die Werkstatt in die Augustusurger Straße 35 verlegt. Hier kommt als Antrieb bereits ein Göpel mit 17 Pferden zum Einsatz.

Mit der Aufnahme der Dampfmaschinenproduktion werden wieder neue Produktionsräume benötigt und so erfolgt zwischen dem 5. und 10. Juli 1841 der Umzug in die geräumigere, so genannte „Klostermühle“ auf dem Areal der heutigen Commerzbank und des daran angrenzenden Häusergevierts an der späteren Hedwigstraße.
Der Mühlgraben der ehemaligen Klostermühle gestattete hier den Einsatz der Wasserkraft zum Antrieb der Werkzeugmaschinen. Eine 12 PS Dampfmaschine aus eigener Produktion ergänzte die Antriebstechnik.
1842 sind bereits 200 Arbeiter im Unternehmen beschäftigt.

Götze und Hartmann trennen sich 1843 und Hartmann führt das Unternehmen allein weiter.

Nach einem Brand am 29. August 1845 verlegte Hartmann einige Werkstätten an die damalige Leipziger Straße, die heutige Hartmannstraße. Schrittweise erweitert er hier zu beiden Seiten der Straße sein Unternehmen.

1855 beginnt der Turbinenbau sowie der Bau von Mühlen- und Bergwerkseinrichtungen. Sechs Dampfmaschinen mit 150 PS und 540 Hilfsmaschinen stehen hier zur Verfügung. Die Zahl der Fabrikarbeiter steigt auf nahezu 2000.

Daß Richard Hartmann heute auch außerhalb von Chemnitz nicht in Vergessenheit geraten ist, ist wohl hauptsächlich dem Lokomotivbau geschuldet.
Dabei war er nicht der erste, der sich in Sachsen dieser Branche zuwandte. Vor ihm versuchten sich Andreas Schubert aus Übigau, Carl Gottlieb Haubold sowie August Rabenstein, beide aus Chemnitz, mit dem Lokomotivenbau.

Zur Vorbereitung der Lokomotivproduktion unternimmt Hartmann zusammen mit dem für diese neue Abteilung vorgesehenen Leiter, Ingenieur Theodor Steinmetz, 1845 eine Reise nach England. Zweck dieser Reise ist neben der Sammlung praktischer Erfahrungen der Ankauf notwendiger Arbeitsmaschinen.

Nach einem Gesuch an den sächsischen König wird ihm am 1. Juli 1846 ein Kredit mit einer Summe von 30.000 Talern zur Aufnahme der Lokomotivproduktion und Kauf der hierfür notwendigen Maschinen bewilligt.

Ständig wurden die Werstätten erweitert und den neuen Erfordernissen angepasst: 1846 enstand eine Eisengießerei und eine neue Schmiede.

1847 begann der Bau der ersten Lokomotive, die im Januar 1848 fertiggestellt wurde. Da Chemnitz zu dieser Zeit noch über keinen Gleisanschluß verfügte, wurde die Lokomotive anschließend teilweise wieder zerlegt, auf Pferdefuhrwerke verladen und nach Leipzig gebracht. Nach der Montage und Probefahrt am 5. Februar 1848 wurde die Lokomotive „GLÜCKAUF“ an die Sächsische-Bayrische Staatseisenbahn übergeben.
Bis September folgten noch sechs weitere Maschinen.

Da die Hartmannschen Lokomotiven im Vergleich zu den englischen Maschinen durchaus gleichwertig und zudem noch weitaus günstiger waren bezog fortan die Könglich-Sächsische Staatseisenbahn einen Großteil ihrer Lokomotiven aus Chemnitz.

Die Fertigstellung der 100. Lokomotive, die auch den Namen „HUNDERT“ tragen sollte, erfolgte am 18. April 1858 und bereits 1878, am 3. Juni erfolgte die Fertigstellung der 1000. Lokomotive.
Eine ständige Erweiterung des Betriebes ging mit der Erhöhung der Produktion einher. In der 1867 errichteten Werkhalle konnten jährlich 100 Lokomotiven hergestellt werden.

Im Frühjahr 1870 konstituierte sich ein Komitee zur Gründung einer Aktiengesellschaft mit fünf Branchen: Lokomotivfabrik, Werkzeug-
maschinenfabrik, Fabrik für Dampfmaschinen, Fabrik für Spinnerei-
maschinen und Fabrik für Webstühle und Webereieinrichtungen.
Das Aktienkapital wurde auf 2,5 Millionen Taler festgesetzt.
Richard Hartmann trat als Vorsitzender des Aufsichtsrates an die Spitze der Aktiengesellschaft. Ab dem 1. April 1870 firmierte das Unternehmen als Sächsische Maschinenfabrik AG, Chemnitz.

Am 14. Dezember 1878 erlitt Richard Hartmann einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben verstarb er am 16. Dezember in seiner Chemnitzer Villa.

Seine Beisetzung erfolgt unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und hoher Trauergäste der königlichen und städtischen Behörden auf dem Johannisfriedhof.
Nach Schließung des Friedhofes wurden die sterblichen Überreste am
2. Juni 1904 auf den Neuen Friedhof an der Reichenhainer Straße in eine Familiengrabstätte überführt.
Das von Johannes Schilling geschaffene Grabmal zeigt eine Büste Richard Hartmanns, umgeben von zwei Engeln.

Der Unternehmer Richard Hartmann prägte mit seinen Pioniergeist und Engagement die Stadt Chemnitz auf ihrem Weg zur Industriemetropole entscheidend mit. Sein Erbe, die Sächsische Maschinenfabrik vorm. Rich. Hartmann AG, war lange Zeit die größte sächsische Maschinenbaufirma.

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